Gemeinsame Pressemitteilung der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin, der Unternehmervereinigung Uckermark und des Unternehmerverbandes Brandenburg-Berlin e.V.
Unser Vorschlag, Herr Habeck!
Zur Bekämpfung der Erderwärmung und zur Verringerung von Energieimporten beenden wir den Einsatz unserer komfortablen fossilen Energieversorgung aus Kohle, Erdgas und Mineralöl. Damit schaffen wir auch erprobte Energiewandler wie Kohle- und Gaskraftwerke, Verbrennungsmotoren und Teile von Raffinerien ab. Zukünftig werden wir überwiegend Solarenergie nutzen, um unseren Energiebedarf zu decken. Dafür bauen wir überall dort, wo es möglich ist, Photovoltaik- und Windkraftanlagen auf. Die stark fluktuierende Solarenergie erfordert jedoch Anlagen zur Energiezwischenspeicherung, um beispielsweise den tagsüber produzierten Solarstrom auch nachts zu nutzen oder um die klimatischen Unterschiede zwischen Sommer und Winter auszugleichen.
Forcierter Strukturwandel in der Lausitz und in der Uckermark
Auch in der Lausitz und in der Uckermark ist dieser Wandel weg von Kohle, Erdgas und Mineralöl hin zu erneuerbaren Energien offensichtlich und wird unsere Zukunft maßgeblich bestimmen. Mit der Braunkohleverstromung in der Lausitz und der Mineralölraffination in der Uckermark wurden anspruchsvolle großtechnische Systeme aufgebaut und facettenreiche Arbeitsplätze geschaffen. Diese Anlagen generierten über viele Jahrzehnte substanzielle Steuereinnahmen für die Kommunen, die Landkreise, das Bundesland und die Bundesrepublik. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat den ohnehin not-wendigen Strukturwandel hin zu unabhängigen Energieträgern, Erzeugungs-anlagen und Energiewandlern nochmals verdeutlicht und beschleunigt diesen aktuell.
Abnehmende Wertschöpfung durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen Der Zubau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen hat die Landschaftsbilder in Nord- und Mitteldeutschland in kurzer Zeit stark verändert. Dieser Strukturwandel bei der Energieversorgung bewirkte in den vergangenen Jahren höhere Energiekosten bei den Bürgern und Unternehmen. Doch diese Investitionen werden sich zukünftig durch vergleichsweise niedrigere Energiekosten auszahlen. Die Wertschöpfung jedoch findet bei Photovoltaik- oder Windkraft-anlagen sehr selten an den eigentlichen Standorten statt. Überregionale Dienstleister übernehmen die Installation und Wartung der Energieerzeugungsanlagen, potenzielle Erträge und Steuern für die Kommunen fließen durch verschachtelte Unternehmensstrukturen in andere Regionen ab oder kommen bei geschickten Steuervermeidungsmodellen den Kommunen und Landkreisen in Form von Steuern nicht mehr zugute.
Daher stellt sich die Frage: Wie können die vorhandenen Anlagen und Netzwerke genutzt werden, um Beschäftigung und Steuereinnahmen zu sichern und gleichzeitig dem Klimaschutz Genüge zu tun?
Technologien für eine sichere Energieversorgung und gegen den Klimawandel
In dünn besiedelten Gebieten ist für kommunale Energieversorger und Unter-nehmen mit hohen Energiespitzen Biokohle kurz- bis mittelfristig eine gute Alternative, um bestehende Fernwärmeanlagen und -netze weiter zu betreiben. Dafür werden überschüssiger Grünschnitt, Stroh und Holzreste unter Sauerstoffausschluss für mehrere Stunden auf mehr als 200°C aufgeheizt. Die verkohlte Biomasse lässt sich im Anschluss über einen längeren Zeitraum unter freiem Himmel auf Halden lagern und bei Bedarf vergasen oder verbrennen. Die technischen Anlagen müssen nur geringfügig umgerüstet werden.
Alternativ lässt sich Biokohle zusammen mit Exkrementen zu Terra Preta weiterverarbeiten. Dieser lokal produzierte, natürliche Dünger ist dann eine kostengünstige Alternative zu Kunstdünger. Mit dem Einsatz von Terra Preta ließe sich die Abhängigkeit von künstlichen, energieintensiven Düngern reduzieren, die Leistungsfähigkeit unserer Böden langfristig steigern und Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden binden. Aufgrund des Emissionshandels würden durch den Einsatz von Terra Preta Gelder aus Emissionszertifikaten auch an die regionalen Betriebe zurückfließen. Die lokale Wertschöpfung und der Klimaschutz würden gleichermaßen profitieren.
Zur dezentralen Energie-, Wärme- und Kälteversorgung von Wohnquartieren und Industriegebieten bieten sich mittel- und langfristig kryogene Energiespeicher bzw. -wandler an. In diesen wird Luft durch elektrisch betriebene Kompressoren und Wärmetauscher auf nahezu -200°C abgekühlt. Der dabei entstehende siedende Stickstoff und Sauerstoff werden in Tanks zwischengelagert. Bei Bedarf lassen sich Stickstoff und Sauerstoff über Wärmetauscher und Turbinen wieder in ihren gasförmigen Zustand überführen und treiben so elektrische Generatoren an. Die kryogene Speichertechnologie greift auf bewährte Komponenten und Fachwissen zurück, ist lokal skalierbar, netzentlastend und die Abwärme bzw. Kälte kann vor Ort weiterverwendet werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Rohstoffeinsatz im Vergleich zu chemischen Speichern überschaubar ist. Nachteilig ist der momentan noch niedrige Wirkungsgrad, wenn keine Kraft-Wärme-Kopplung erfolgt. Interessant ist zudem die Kopplung eines kryogenen Energiespeichers mit einer solarthermischen, erdthermischen oder industriellen Wärmequelle. Die Energie-, Wärme- und Kälteversorgung von Industrieanlagen und Wohnquartieren ließe sich bei dieser Technologie über lokale Energieversorger realisieren. Auch diese Speichertechnologie würden die Wertschöpfung in der Region belassen und wert-volle Arbeitsplätze, sowie regionale Steuereinnahmen generieren.
Neben kohlenstoff- und stickstoffbasierten Energiekreisläufen lässt sich mit Hilfe von Elektrolyseuren Wasserstoff herstellen. Der leicht flüchtige Wasserstoff kann energetisch und chemisch vielfältig eingesetzt werden. Eine Möglichkeit ist die direkte heiße Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff in Gasmotoren oder -turbinen. Der mittels kryogener Energiespeicherung erzeugte flüssige Sauerstoff lässt sich gut nutzen, um die den Anlagenwirkungsgrad zu erhöhen und unerwünschte Stickoxidemissionen zu vermeiden.
Eine weitere Alternative sind Brennstoffzellen. Dort reagieren Wasserstoff- und Sauerstoffatome unter Freisetzung von elektrischem Strom und Wärme bei einer kalten Verbrennung zu Wasser. Doch die heiße und kalte Verbrennung von Wasserstoff ist wirtschaftlich unattraktiv. Der teure Wasserstoff lässt sich in chemischen Prozessen als Grundstoff für höherwertige Chemikalien und für hochwertige Kohlenwasserstoffe nutzen. Die damit verbundene Wertschöpfung ist höher als bei der reinen Nutzung als Energiespeicher für die Verbrennung und ermöglicht der Chemieindustrie die für uns alle wichtige Entkopplung von fossilen Kohlenwasserstoffen.
In petrochemischen Anlagen wie der Raffinerie in Schwedt dient Wasserstoff aktuell als Grundstoff bei der Kraftstoffproduktion aus Mineralöl und Biomasse. In Verbindung mit Kohlendioxid lässt sich Wasserstoff zu synthetischen Gasen und Kraftstoffen umwandeln. Auf Basis dieser vorhandenen Anlagen in Schwedt kann mit überschaubarem technischem Aufwand und mit Hilfe von erneuerbaren Energien Kohlendioxid aus der Luft entnommen und Wasserstoff erzeugt werden. Im Anschluss ließen sich aus diesen Stoffen synthetische Kohlenwasserstoffe herstellen, welche einen umweltfreundlichen, nachhaltigen Kohlenwasserstoffkreislauf ermöglichen, ohne dass unsere Atmosphäre mit zusätzlichem Kohlendioxid belastet wird. Die regional erzeugten Kohlenwasserstoffe lassen sich wie bisher durch die bestehende Infrastruktur verteilen und längerfristig speichern. Die dafür notwendigen Investitionen würden sich in wenigen Jahren durch das hohe Innovationspotenzial, den damit einhergehenden technischen Vorsprung und das neu erschlossene Fachwissen mehr als bezahlt machen. Weitere positive Begleiterscheinungen wären der Zuwachs von Fachkräften, ein hohes internationales Prestige sowie steuerliche Mehreinnahmen über die Kommune bis hin zur Bundesrepublik Deutschland.
Für Pilotanlagen und Experimente ist keine Zeit mehr
Die Mineralölraffinerie in Schwedt, die Braunkohlekraftwerke Jänschwalde, Boxberg und Schwarze Pumpe, die Stahlwerke in Brandenburg (Havel), Hennigsdorf und Eisenhüttenstadt und das Chemiewerk in Schwarzheide sind als Großverbraucher bzw. Verarbeiter von Kohlenwasserstoffen besonders vom notwendigen Strukturwandel betroffen. Die aktuellen Veränderungen bringen unsere Regionen jedoch in eine günstige Ausgangslage für zukunftsträchtige Technologien, wenn die vorhandenen Anlagen weiterentwickelt und die Photovoltaik- und Windkrafterzeugungskapazitäten weiter ausgebaut werden.
Die Raffinerie in Schwedt bietet sich geradezu an, um auf Basis erneuerbarer Energien die Herstellung biobasierter und synthetischer Kohlenwasserstoffe voranzutreiben. Grundstoffe für die chemische Industrie, unter anderem für Berlin und Südbrandenburg, können durch die Raffinerie in Schwedt bereitgestellt werden. Synthetische Kraftstoffe lassen sich aus Schwedt über die Pipeline nach Seefeld in das dort liegende Tanklager verbringen, um beispielsweise den Flughafen Berlin-Brandenburg mit Kraftstoffen zu versorgen.
Wir haben keine Zeit für irrationale Entscheidungen!
Politisch wird die Umstellung von fossilen Energiespeichern auf Solarenergie lautstark gefordert, doch der Marktmechanismus durch Angebot und Nachfrage funktioniert bei wasserstoffbasierten Energieträgern wie Wasserstoff nicht, da es schlichtweg keinen Markt gibt. Es fehlen Erzeuger, Verteilungssysteme und Verbraucher. Erschwerend kommt hinzu, dass kostengünstige kohlenstoffbasierte Energieträger, insbesondere im Mobilitätssektor, steuerlich subventioniert werden und die Europäische Union mit ihren unterschiedlichen Interessensgruppen überkomplexe Rahmenbedingungen bei der Wasserstoffproduktion schafft.
Eine schnelle und effektive Lösung bietet der Einsatz von synthetischen Kohlenwasserstoffen, welche sich in der Raffinerie in Schwedt mit erneuerbaren Energien produzieren lassen. In Kombination mit den dort schon produzierten biobasierten Kohlenwasserstoffen ließe sich mit überschaubarem Aufwand die vorhandene Infrastruktur, Technik und das Fachwissen nutzen, um die Raffinerie in einem kurzen Zeitraum bei überschaubaren Investitionen weiterzuentwickeln. Der petrochemische Standort in Schwedt lässt sich, wenn auch aus der Not heraus, zu einem Vorreiter für den längst überfälligen Strukturwandel des Mineralölsektors machen.
Die technischen Anlagen und Systeme stehen bereit. Wir in der Uckermark wollen unsere Zukunft selbst gestalten. Nun brauchen wir den unbedingten politischen Willen und mutige rationale Entscheidungen. Packen wir es an!
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Ulrich Menter
Präsident
Unternehmervereinigung Uckermark e.V
Dr. Burkhardt Greiff
Präsident
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e.V.
Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin
Foto: pixabay