Allgemein, Pressemitteilung, Rückblick, Top-Themen
Schreibe einen Kommentar

6. Ostdeutscher Unternehmertag am 30.04.24

Unternehmen fordern realistische Wirtschaftspolitik und funktionierende Lösungen für den Fachkräftemangel!

Inmitten einer in der Bundesrepublik nie dagewesenen Krisensituation fand am 30. April in Potsdam der 6. Ostdeutsche Unternehmertag statt. Im Fokus stand erneut der Fachkräftemangel als zentrale Herausforderung für die mittelständischen Unternehmen. Dieser bedroht angesichts der sich überlagernden Krisen aus überbordender Bürokratie, viel zu hohen Energiepreisen, schleppender Digitalisierung und widersprüchlichen Regelungen zur der Bewältigung der ökologischen Transformation zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft, so Dr. Burkhardt Greiff, Präsident des Unternehmerverbandes Brandenburg-Berlin e.V. und Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin. „Deutschland ist beim Wachstum Schlusslicht, das Bürokratieentlastungsgesetz 4 klingt wie Hohn“, sagte er. „Die Nachbarn überbieten sich bei Bauvorhaben neuer Atomkraftwerke, während bei uns abgeschaltet wird. 100 Milliarden stehen für die Rüstung zur Verfügung – ich hätte mir gewünscht, dass 20 Milliarden für Instandsetzung von Schulen aufgewendet werden und für Fachkräfte, die in Pflege und Gesundheit dringend gebraucht werden.“ Hohe Steuern und immer neue Belastungen, teure Doppelstrukturen in der Verwaltung und fehlende Anreize während andere Staaten mit Vergünstigungen locken – kein Wunder, dass Unternehmen nicht oder eher im Ausland investierten.

Gemeinsames Engagement für kleine und mittlere Unternehmen

Was also tun? In Vertretung des Brandenburgischen Wirtschaftsministers Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach sprach Dr. Steffen Kammradt, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) über die Anstrengungen der Landespolitik zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Die erfreulich positive Entwicklung der Wirtschaft im Land – entgegen dem Bundestrend – führe zu zusätzlichen Bedarf an Weiterbildung durch Unternehmensansiedlungen. „Kein junger Mensch sollte nach der Schule Brandenburg verlassen, weil er annimmt, dass er hier keinen guten Beruf erlangen kann“, forderte Kammradt. Er nannte Beispiele für gemeinsames Engagement von Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Politik, um Aus- und Weiterbildung auch für kleine und mittlere Unternehmen mit dem Bedarf der sich wandelnden Wirtschaft zu synchronisieren, darunter den Qualifizierungsverbund Lausitz für Erneuerbare Energien (QLEE). Noch weit stärker sollten Unternehmen auf die Förderangebote zugreifen, mit denen berufliche Weiterbildung unterstützt wird, und verwies insbesondere auf das Programm auf der Basis der Weiterbildungsrichtlinie ESF Plus des Europäischen Sozialfonds. Bundesagentur für Arbeit, Zukunftszentren und WFBB starten zudem gerade ein vernetztes Beratungsportal. Gute Erfahrungen gebe es auch mit ausländischen Arbeitskräften – wenn neben der Arbeit selbst auch das Umfeld stimmt. Zwar gebe es Vorbehalte, „aber wenn die Menschen da sind und ihre Aufgaben annehmen, ändert sich das meistens sehr schnell.“

Neue Konzepte und umfassende Unterstützung

Dr. Gunilla Fincke, Leiterin der zuständigen Fachabteilung Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung und Fachkräftesicherung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, erläuterte Maßnahmen, mit denen das Ministerium dem Fachkräftemangel gegensteuert. Weiterbildungsverbünde werden gefördert, sie seien für kleine und mittlere Unternehmen besonders wichtig. Eine Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer über das Rentenalter hinaus erfordere Konzepte für Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement, auch ein Tätigkeitswechsel aus körperlich oder psychisch dann zu schwerer Arbeit sollte frühzeitig bedacht werden. Auch die große Gruppe geflüchteter Menschen mit einer Bleibeperspektive müsste stärker in die Unternehmensüberlegungen zur Fachkräftesuche einbezogen werden. Nach drei Monaten Aufenthalt dürfen diese arbeiten. Sie appellierte, offene Stellen unbedingt der Bundesagentur bzw. dem JobCenter zu melden. Dr. Ramona Schröder, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Arbeitsagentur, stellte Angebote vor, mit denen die Agentur Beratung bietet und Förderung ermöglicht. „Was nicht da ist, müssen wir erfinden“, sagte sie, die enge Partnerschaft zu den Unternehmen betonend.

Fachkräftegewinnung mit exzellenter Aus- und Weiterbildung

Eine schonungslose Analyse stellte Dirk Werner, Leiter des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln, vor. Trotz zunehmender Arbeitslosigkeit in jüngster Zeit bleibe die Fachkräftelücke hoch: Für 39 Prozent der offenen Stellen in Ostdeutschland gebe es keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Besonders dramatisch ist die Lücke bei Fachkräften mit abgeschlossener Berufsausbildung: 82 Prozent bei Bauelektrik, 87 Prozent bei Mechatronikern, 82 Prozent in der Altenpflege, generell in Gesundheit und Pflege, aber auch bei Informatikern. Dass zugleich die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt hat und viele junge Menschen schlicht nicht wollen, wertet er als Alarmsignal. Aktuell haben 2,86 Millionen junge Menschen bis 34 Jahre keine abgeschlossene Berufsausbildung. Dirk Werner: „Wir müssen Wege finden, dies abzustellen, das ist die wichtigste Aufgabe in Deutschland!“ Positiv sei, dass Unternehmen mehr in Weiterbildung investieren, das Stundenvolumen je Beschäftigten wächst und auch die Digitalisierung Fortschritte macht. Zusätzliche Anstrengungen seien nötig, um jungen Menschen den Wert einer Ausbildung oder dualen Studiums nahe zu bringen und Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zu fördern. „Ein Nachdenken über die Vier-Tage-Woche ist keine Lösung für ein Land mit unserem Fachkräftemangel.“

Praktische Erfahrungen in der Diskussion

In mehreren Diskussionsforen vertieften Experten und Praktiker das Thema. Wie sich die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer Potsdam ihrem zentralen Auftrag zur Sicherung der Aus- und Weiterbildung widmen, erläuterten IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Manfred Wäsche und Ralph Bührig, Handwerkskammertag Brandenburg. Sie forderten einhellig eine Gleichbehandlung der dualen Ausbildung und auch der Meisterausbildung mit den kostenlosen Angeboten der akademischen Bildung. Gerald Rynkowski, Managing Director der VEINLAND GmbH, unterstützte dies mit der Forderung nach gleicher Bezahlung der Lehrlinge, um nicht schon durch das Entgelt bestimmte, ebenfalls wichtige Berufe zu benachteiligen. Aus eigener Erfahrung berichtete er über Probleme, Kontakt mit Schulen zu knüpfen. Generell sei mehr Wertschätzung für Unternehmen nötig, die ja für Arbeit und manch freiwillige Leistung in der Region sorgten. Viele Qualifizierungsanforderungen entspringen aus Prozessen der Digitalisierung, oft rufen Unternehmen dann nach IT-Fachleuten. Als externer Partner bietet sich die contrango digital GmbH an, deren Geschäftsführer André Barthels das Vorgehen erläuterte. Sein Credo: Gemeinsames Erarbeiten der geeigneten Lösungen, gemeinsames Lernen während der Implementierung neuer Technologien und Strukturen, eine Veränderungsbereitschaft, in der aus Fehlern gelernt und das formulierte Ziel auch nachweisbar verwirklicht wird.

Über die Herausforderungen für Aus- und Weiterbildung in Unternehmen diskutierten Cornelia Jeschek, Geschäftsführerin der Prealize GmbH, Sören Kosanke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung, Adalbert Kurkowski, The Alternative Board (TAB), Berlin West/Potsdam/Havelland/Potsdam Mittelmark, Roland Peine, Technischer Geschäftsführer der ASG Spremberg, Frank Büchner, Verbundmanager des Qualifizierungsverbundes Lausitz für Erneuerbare Energien, und Natalie Bojanowski, Personalleiterin der, ENERTRAG SE.

Zukunftsforum: Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Roboter

Praktische Impulse gab erstmals ein Zukunftsforum des Unternehmertages. Die Diskutierenden stehen für erfolgreiche Lösungswege: Sophia Walczyk, Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung der Universitätsklinik Greifswald, stellte digitale Lösungen zur Patientenversorgung vor, mit denen sie als „Senkrechtstarterin des Jahres 2023“ durch die Thieme-Gruppe ausgezeichnet wurde. Kristan Dietrich, Leiter Strategie und Auszubildende Deutschland der Triangle Personnel Solutions GmbH, erläuterte das Vorgehen des Berliner Personalunternehmens, das sich auch im internationalen Recruiting für Pflege- und Gesundheitseinrichtungen engagiert. Daniela Endres, Geschäftsführerin der People Rebellion GmbH, besitzt Erfahrungen im Recruiting und in der Mitarbeiterbindung im Mittelstand. Und Cristian Amaya, Co-Founder des Berliner Startups ConBotics GmbH, sprach über die Entwicklung eines Roboters für Malerbetriebe, mit denen in Innenräumen Aufträge doppelt so schnell gegenüber manueller Arbeit und mit über 80 Prozent weniger Personalaufwand ausgeführt werden können. Er wunderte sich übrigens darüber, wie weit Deutschland bei der Digitalisierung in manchen Bereichen, vor allem der Verwaltung, hinter seinem Heimatland Kolumbien zurückgeblieben ist.

Viel Stoff zum weiteren Nachdenken, vor allem aber mit einer klaren Handlungsaufforderung, wie Dr. Greiff abschließend feststellte. „Wir brauchen keine Ankündigungsweltmeister, sondern einen Herbst des Handelns“, sagte er mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Ausdrücklich dankte er allen Teilnehmern, Partnern, Referenten, Ausstellern, Sponsoren und Unterstützern, die zu dem gelungenen 6. Ostdeutschen Unternehmertag beigetragen haben.

Unterstützer des 6. Ostdeutschen Unternehmertages waren neben der IHK Potsdam und dem Handwerkskammertag Brandenburg das Innovationsforum Ost, IBWF – Das Netzwerk für Mittelstandsberater e.V., media:net berlinbrandenburg, SIBB, BBAA Berlin-Brandenburg Aerospace Allianz e.V, INFRAUNEU, die Brandenburgische Ingenieurkammer (BBIK), und BNI.

Impressionen vom Tage, Vorträge, Foren und Podcasts finden Sie unter:

Schon vormerken: Der 7. Ostdeutsche Unternehmertag findet am 7. Mai 2025 statt.

Weitere Informationen: www.ostdeutscher-unternehmertag.de

Text: comprend GmbH

Foto: Dr. Burkhardt Greiff (UV BB) mit Ralph Bührig (HWK Potsdam)

Bildquelle: Jürgen Sendel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert